(©Melanie Vogel) Wollen wir Digitalität verstehen, so ist das in etwa so, als würde Albert Einstein seine eigene Relativitätstheorie versuchen zu verstehen, nachdem „Mathematiker über sie hergefallen sind”. Viele Ideen sind erst eine Ahnung, bevor sie in Formeln und Erklärungen manifestiert werden. Bei der Digitalisierung war es andersherum. Erst gab es die Formeln und Erklärungen – und jetzt entsteht ganz langsam bei vielen eine Ahnung davon, dass die Digitalität eigentlich noch viel mehr ist. Und diese Ahnung trügt nicht.
Es gibt einen Erkenntnisstrang in der Digitalisierung, der mit Technologie nicht das Geringste zu tun hat. Sondern hier geht es um Metaphysik, denn die Digitalisierung verändert das Sein und das Da-Sein. Seit den Jahren 2020/2021 ist für viele Menschen die virtuelle Welt realer und unversteckter als die analoge Welt.
Während der Mikrobenkrise machten uns die Gesichtsmasken zu Avataren, Distanz und Kontaktverbote entmenschlichten unsere Gesellschaft, Reisen wurde zum gesundheitlichen Striptease und die globale Welt hört vor der Haustür auf.
In der virtuellen Welt jedoch war und ist globales Reisen nach wie vor weitgehend barrierefrei möglich. Kontakte können auf sichtbarer Augenhöhe stattfinden, ohne dass Masken Gestik und Mimik verstecken – und wir alle haben gelernt, dass wir auch auf die digitale Entfernung hin Nähe, Wärme und Menschlichkeit aufbauen können.
Ja, wir sehnen und nach Berührung und Kontakt, doch metaphysisch sind wir uns dennoch nah, wenn unsere Herzen offen und die mentalen Barrieren gefallen sind.
Der immaterielle digitale Raum ist vergleichbar mit dem Universum. Er ist zeit- und grenzenlos. Er ermöglicht uns, diesen Raum kreativ, menschlich und nah zu gestalten, neue virtuelle Welten zu kreieren, in denen wir barrierefrei kommunizieren und vorurteilsfrei aufeinandertreffen können.
Wenn wir uns dieser Tatsache bewusst werden, könnten wir mit Neugier einen “Weltenraum“, oder ein “Menschenland” schaffen – frei von Dogmen, nationalen Grenzen und staatlichen Einschränkungen oder Ideologien. Wir könnten neue Regeln des Menschseins erschaffen und als Mensch über unsere Komfortzonen hinaus wachsen und Erkenntnisse erlangen, die für eine humane Evolution sorgen können. Dabei brauchen wir auf die analoge Welt nicht verzichten – es geht lediglich darum, den digitalen Raum menschlich(er) als bisher auszufüllen und genau hier neue Formen von Beziehungsweisen und des Beisammenseins kennenzulernen.
Diese Chance hat noch keine Menschheitsgeneration vor uns gehabt – und keine nachfolgende Generation wird jemals wieder an diesem pioniergeistigen Nullpunkt stehen, an dem der virtuelle Raum vollständig offen steht und als metaphysischer Raum ein völlig unentdecktes Gebiet darstellt, der mit Sinn und menschlicher Existenz gefüllt werden kann.