(© Melanie Vogel) In unserer Gesellschaft wird Trotz oft mit Unhöflichkeit oder Chaos gleichgesetzt. Doch es gibt eine alternative Sichtweise: Wertebasierter Trotz, wie ihn Psychologin und Autorin Sunita Sah beschreibt, ist ein Handeln nach den eigenen Werten – auch dann, wenn Druck zur Anpassung besteht. Diese Fähigkeit, die durch tägliche Übung in kleinen Momenten entwickelt werden kann, könnte nicht nur das Leben des Einzelnen, sondern auch die Gesellschaft positiv beeinflussen.
Die Neudefinition von Trotz
Traditionell wird Trotz als mutiges Herausfordern von Autorität gesehen. Sah schlägt jedoch eine differenzierte Definition vor: Trotz bedeutet, entsprechend seinen wahren Werten zu handeln, selbst wenn äußere Umstände Anpassung fordern. Dies schließt bewusste Nachgiebigkeit ein – Momente, in denen Widerstand riskant oder ineffektiv wäre.
Ein Beispiel für diese bewusste Entscheidung ist Rosa Parks, die trotz vieler vorheriger Nachgiebigkeiten eines Tages den entscheidenden Widerstand gegen Rassentrennung leistete. Solche Akte des Trotzes, bewusst geplant und an den richtigen Werten orientiert, können transformative Wirkung entfalten.
Warum wir trotziger sein sollten
Sah argumentiert, dass es in vielen Situationen notwendig ist, Widerstand zu leisten – etwa, wenn ein Kollege ein Fehlverhalten zeigt oder Werte wie Integrität verletzt werden. Oft fehlt jedoch die Vorbereitung, um in entscheidenden Momenten zu reagieren. Die Lösung: Antizipation und Übung. Sich wiederholende kritische Situationen zu erkennen, sich darauf vorzubereiten und den Widerstand im Kleinen zu trainieren, stärkt die Fähigkeit, in größeren Momenten standhaft zu bleiben.
Der „Trotz-Dominoeffekt“
Ein entscheidender Punkt ist, dass individueller Widerstand oft über die handelnde Person hinauswirkt. Sah spricht von einem „Trotz-Dominoeffekt“: Der Mut einer Person inspiriert andere, ebenfalls nach ihren Werten zu handeln.
Damit Trotz nicht nur individuell, sondern gesellschaftlich wirken kann, fordert Sah die Schaffung von Systemen, die Raum für Widerstand bieten. Institutionen und Arbeitsplätze sollten Bedingungen schaffen, die es Einzelnen ermöglichen, Nein zu sagen, ohne berufliche oder persönliche Konsequenzen fürchten zu müssen. Eine solche Struktur unterstützt authentisches Handeln und stärkt die Integrität von Individuen und Gemeinschaften.
Fazit: Authentizität durch Werte
Wertebasierter Trotz ist kein Persönlichkeitsmerkmal, sondern eine erlernbare Fähigkeit. Es geht nicht um Lautstärke oder Aggression, sondern darum, die eigenen Werte zu leben. Sahs Ansatz lädt dazu ein, den Mut zu finden, bewusst Nein zu sagen, und so authentischer und erfüllter zu leben. Letztlich hat dieser Ansatz das Potenzial, nicht nur Individuen, sondern auch die Gesellschaft positiv zu verändern.